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Planungsbeteiligung bei der HausWirtschaft

Architekt Markus zeigt unterschiedliche Bereiche beim Gewerbeworkshop.

Wir haben Annegret Haider und Miriam Pollak von einszueins Architektur, gemeinsam mit Peter Rippl von der HausWirtschaft, zu einem Gespräch über den Planungsprozess und partizipative Projekte eingeladen.


Warum macht einszueins partizipative Projekte wie die HausWirtschaft?

Annegret Haider: Für einszueins Architektur ist der Antrieb hinter partizipativer Planung die soziale Nachhaltigkeit. Auf der Universität lernt man, dass Architekt*innen wissen, was gut ist für die Leute. Architekt*innen planen und antizipieren für die Leute, die später einmal die Häuser nutzen, was sie wollen. Es ist ein großer Unterschied, ob man ein Haus für jemanden entwickelt, oder mit den Menschen gemeinsam. Bei einer partizipativen Projektentwicklung holt man die künftigen Bewohnerinnen und Bewohner möglichst früh ins Boot. Als Architektin und Architekt kann man nämlich nicht alles von Anfang an antizipieren und kennt die Wünsche nicht. Das macht später einen riesigen Unterschied, wenn ich zu einem Haus auf Besuch vorbeischaue, das ich mit den Menschen gemeinsam entwickelt habe: Die Leute gehen dort ganz anders mit dem Haus um.

Planungswerkstatt mit einszueins im Februar 2019. Foto: Philipp Naderer-Puiu

Euer Büro hat auch sehr individualisierte Projekte umgesetzt. Ein gutes Beispiel dafür ist der Seestern Aspern. Darin ist jede Wohnung komplett individualisiert für die einzelnen Bewohnerinnen und Bewohnern. Bei der HausWirtschaft habt ihr einen anderen Ansatz mit stark reduzierter Individualisierung gewählt. Warum habt ihr da den Weg eingeschlagen?

Annegret Haider: Wir von einszueins haben mit der Partizipation „vom Städtebau bis zur Steckdose“ damals begonnen. Dabei kann die Gruppe von Anfang an das Haus umfassend mitgestalten, also auch große städtebauliche Planungsentscheidungen mit uns treffen, bis hin zu kleinen Details innerhalb einer Wohnung. Das alles erfolgt in einem recht komplexen Prozess in mehreren Workshops, wo dann sogar die Lage einzelner Steckdosen mitbestimmt werden kann. Wir haben in der Reflexion nach der Realisierung vom Seestern Aspern einige der Bewohnerinnen und Bewohner vom Seestern und vom Wohnprojekt Wien dazu eingeladen. Das sind zwei echte hardcore-partizipative Projekte und wir haben die Leute gefragt, wie es ihnen in diesem Partizipationsprozess gegangen ist. Dabei kam heraus, dass zum Teil auch eine Überforderung da war. Manche Leute wollen sich nicht bis ins kleinste Detail mit ihrer Wohnung auseinandersetzen, sondern eine für sie passende Planung vorgelegt bekommen. Natürlich gab es in diesen beiden Projekten aber auch Leute, die jede Steckdose selbst positionieren wollten.

Peter Rippl: Schon in den ersten Gesprächen wurde klar, dass ein so aufwändiger und individueller Ablauf für uns nicht in Frage kommen kann. Wir haben uns bei der HausWirtschaft immer als gemeinsame Genossenschaft gesehen und weniger als individuelle Nutzerinnen, die sich gemeinsam ihr Traumhaus basteln. Auch beim städtebaulichen Prozess gab es einen so hohen Zeitdruck, dass es für eine gruppengetriebene Entwicklung gar keine Möglichkeit mehr gab. Beim ersten Planungsworkshop hat das durchaus für Verstimmung gesorgt, wo dann schon eine gewisse Enttäuschung da war, wie wenig Einfluss man auf die städtebaulichen Aspekte hatte. Ich denke, man kann als Laie natürlich Ideen und Bedürfnisse äußern, aber welche Konsequenz so was auf städtebaulicher Ebene hat, ist einem da gar nicht wirklich bewusst. Denn in einer frischen Baugruppe kennen viele noch gar nicht das Stadtentwicklungsgebiet und die unmittelbare Umgebung ausreichend genau. Auf individuelle Wohnungsebene können auch Bauträger und Architekturbüro gemeinsam mit ihrer jahrelangen Expertise funktionierende Grundrisse planen. Wir als Gruppe geben dann noch weitere Hinweise und schauen uns die ganzen Details einer Wohnung an. Für mich ist das hinreichend, um hochwertige Wohnungen und Gewerbeflächen zu planen.

Miriam Pollak: Die HausWirtschaft ist durch ihre Größe und Komplexität auch schlussendlich eine Ressourcenfrage. Wenn man neben der Gewerbeplanung noch auf individuelle Wohnungsebene hinunter gehen würde, würden jegliche Rahmen der individuelle Partizipation gesprengt. Bei der Entwicklung der Regelgrundrisse für die Wohneinheiten war es toll auch den anderen Blick der Gruppe zu bekommen. So haben wir gemeinsam die Grundrisse verbessert, ohne einen individuellen Standpunkt einzunehmen.

Annegret Haider: Bei Projekten mit einer individuellen Planung gibt es uns noch immer als Regulativ. Gleichzeitig achten wir bei der Individualisierung auf den Rahmen, damit alles entsprechend nachnutzbar bleibt. Es hat schon was, wenn man eine ganz besondere Wohnung hat, auch als Nachnutzungsperspektive. Aber natürlich macht es in vielen Fällen auch Sinn etwas zu standardisieren. Ich denke das ist bei der HausWirtschaft super gelungen.

Im Planungsprozess der HausWirtschaft hat einszueins die „Partizipative Standardisierung“ entwickelt. Was versteht ihr darunter?

Miriam Pollak: Die Erfahrungen, die wir bisher sammeln konnten, haben wir auf die Größe und Herausforderungen der HausWirtschaft angepasst. So haben wir eine eigene Form der Partizipation entwickelt, die sogenannte „Partizipative Standardisierung“. In den Treffen mit der Arbeitsgruppe „Raum“ haben wir die Bedürfnisse der gesamten Gruppe betrachtet, anstatt auf individuelle Bedürfnisse einzugehen.

Annegret Haider: Zuerst braucht es einen mit der Gruppe gemeinsam definierten Wohnungsmix, den man für das gesamte Haus erreichen will. Daraus leitet man Entwürfe für ein Regelgeschoß ab, dass in jedem Stockwerk gleich umgesetzt wird.

Peter Rippl: Wo wir die Grenzen des Systems gemerkt haben ist, dass es jede Wohnung nun fünfmal übereinander gleich gibt. Dann ist jede Änderung im Regelgeschoß gleich eine fünffache Veränderung im Wohnungsmix. Man kann sich also nur entscheiden, ob man zehn oder fünfzehn Wohnungen von einem Typ haben möchte. Partizipation ist dort wichtig, wo ist langfristig sinnvoll und für den Erfolg zielführend ist und gehört für mich in einem größeren Rahmen gesehen. Das Wesen der Soziokratie und generell für Partizipation sollte immer die informierte Entscheidung sein.

Annegret Haider: Wesentlich im Planungsprozess ist das Mitdenken der Nutzungsperspektive. Man muss sich immer in Erinnerung rufen, dass unser gegenüber eben keine Fachexpertise verfügt und keine Planerinnen sind. Das gelingt uns meistens recht gut. Wir bemühen uns so viele Informationen wie möglich der Gruppe aufbereitet zu geben. Für uns von einszueins ist die HausWirtschaft ein unglaublich lehrreiches und interessantes Projekt.

Die Arbeitsgruppe Raum bespricht wesentliche Themen mit einszueins Architektur.
Treffen der AG Raum mit einszueins. Foto: Luiza Puiu

Welche Werkzeuge und Methoden setzt ihr für diese partizipative Planung ein?

Miriam Pollak: Wir starten normalerweise mit einer Planungswerkstatt. Die ist nach der ersten Visionsphase und ganz am Anfang der Planung, wo es um einen ersten zeichnerischen Entwurf geht. In der Planungswerkstatt unterhält sich die Gründungsgruppe mit dem Architekturteam über eine Vision für das Haus. Danach geht es in regelmäßige Treffen über.

Annegret Haider: In der HausWirtschaft gibt es zwei Ebenen der Partizipation. Das eine sind die Entscheidungen mit der AG Raum im kleineren Maßstab. Die andere Ebene ist die Großgruppenebene. Da würde auch eine Planungswerkstatt darunter fallen. Dabei macht man auf und trifft die großen wesentlichen Entscheidungen in großer Runde. Dazu kommen die Gewerbeworkshops und die Wohnungsvergaben. Eine dritte Ebene wäre die Individualisierung für einzelne Mitglieder, die es aber bei der HausWirtschaft in dieser ausführlichen Form nicht gibt. So ein partizipativer Prozess ist aber immer sehr schwer exakt planbar, denn es ist einfach ein Ding das passiert. Jascha Rohr vom Institut für Partizipatives Gestalten hat einen schönen Spruch geprägt: „You cannot own a process, but you can ride it.“ Also immer versuchen auf der Welle mit dem Surfbrett reiten und sie nicht versuchen zu kontrollieren. Bei einem Planungsprozess ist das etwas sehr Ähnliches. Man kann die Rahmenbedingungen schaffen und es gibt bestimmte zeitliche Abläufe, aber bis zu einem gewissen Grad muss man ad-hoc auf den laufenden Prozess reagieren.

Miriam Pollak: Es gibt also immer wieder Schleifen wo man etwas länger braucht und man nicht direkt auf den Punkt kommt, aber es gibt immer das Ziel am Ende vor Augen. Der Weg zum Ziel ist dann diese Wellen, die man reiten muss.